(10.02.2022/München) Das Quantum Application & Research Lab (QAR-Lab) am Institut für Informatik der LMU bringt Quantencomputing weiter in die Anwendung und hat neue Erkenntnisse vorgestellt. Im November 2021 war die zweiten Challenge „Quantum Computing Optimization“ gestartet, am 10. Februar 2022 präsentierten 24 Studierende der Informatik den Industriepartnern die Resultate. Die Leiterin des QAR-Lab, Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien freute sich über die Erkenntnisse aus dem mehrmonatigen Praxis-Projekt der LMU mit den Partnern E.ON, Bayer und Evonik Industries. Die Studierenden hatten je einen Anwendungsfall der Unternehmen auf drei Quantencomputern sowie einem quanteninspirierten Rechner ausgeführt. 43 Personen nahmen an der virtuellen Abschlusspräsentation teil, die Ergebnisse werden teilweise noch vertraulich behandelt.
Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien bedankte sich bei den Studierenden für ihre Arbeiten und bei den Wirtschaftspartnern für die intensive Beteiligung. Das im Jahr 2016 gegründete QAR-Lab verfolge das Ziel, Quantencomputing einem breiten Nutzerkreis in Forschung und Wirtschaft zugänglich zu machen. Diesem Ziel komme man ein großes Stück näher.
Die Unternehmen E.ON, Bayer und Evonik Industries hatten für die „Optimization Challenge“ Anwendungsfälle aus der Praxis – sogenannte Use Cases – zur Verfügung gestellt. Die Studierenden der Informatik sollten dazu die verschiedenen Optimierungsszenarien auf drei verschiedenen Quantencomputern und einem quanteninspirierten Rechner ausführen. Ziel war es, die Use Cases auf den vier Rechnern zu programmieren um im Vergleich herauszufinden, welche Hardware für die jeweilige Problemstellung das optimalste Ergebnis liefert.
Der Anwendungsfall von E.ON beinhaltete die Optimierung der Personalplanung im Call Center. Die Problemstellung von Evonik war ein „General Purpose Optimizer“ und der Use Case von Bayer behandelte die Optimierung einer Supply Chain.
Der QAR-Lab Wissenschaftler Jonas Stein, Organisator der Veranstaltung, erläuterte zu Beginn das Quantenmechanische Modell und die aktuell existierende Quanten Hardware. Im Endeffekt gehe es um die Frage: Wie schafft man es, in den Grundzustand eines physikalischen Systems zu kommen, denn dieser codiere die Lösung des Optimierungsproblems.
Im Hauptteil des Abends präsentierten die drei Studierenden-Teams jeweils ihre vier Ergebnisse.
Fazit: Allmählich größere Probleme lösbar
im Vergleich zur ersten Challenge im Sommer 2021 waren dank neuer Hardware nun größere Probleme lösbar. Allerdings hat sich der Zugriff auf die Hardware softwareseitig weiterhin schwierig oder fehleranfällig gestaltet. Das Annealing Model lieferte weiterhin besser Ergebnisse als das Gate Model, teilweise funktionierte hier die Codierung bei Fujitsu, teils bei dem Rechner von D-Wave besser.
Als Ergebnis steht eine Proof-of-Concept Hardwareimplementierung für Kombinatorische und Kontinuierliche Optimierungsprobleme mit den neuen Erkenntnissen zur optimierten Problemformulierung.
Abschließend bedankten sich die Industrievertreter bei den Veranstaltern und Studierenden für den wochenlangen Einsatz in der „Quantum Computing Optimization Challenge“. Es stecke viel Zeit und Geld in den sogenannten Learnings, das Engagement der Universität schätze man sehr.
Dr. Ulf Hengstmann, Digital Transformation Lead R&D bei Bayer äußerte sich positiv über die ersten Ergebnisse. Man sei sich bewusst, dass die Systeme in diesen frühen Zeiten der Technologieentwicklung zwar noch fehleranfällig seien. Sie lieferten trotzdem bereits erste wichtige Erkenntnisse. Es sei eine spannende Entwicklung.
Der Informatik-Student Jonas Blenninger zeigte sich begeistert von der dreimonatigen Programmierarbeit: „Die Programmierung der Quantencomputer für einen echten Anwendungsfall aus der Industrie fand ich herausfordernd und sehr motivierend. Das Praktikum hat unglaublich viel Spaß gemacht und ich habe in diesen Monaten extrem viel gelernt.“
Der Informatik-Student Lennart Rietdorf war ebenfalls von der praxisnahen Anwendung begeistert, die vom Informatik Lehrstuhl für Mobile und Verteilte Systeme angeboten wurde: „Das Quanten-Computing-Praktikum war sehr lehrreich und interessant. Da es in Gruppenarbeit stattfindet, können sich die Team-Mitglieder gegenseitig in ihren Stärken ergänzen. Klasse war auch das fast immer verfügbare, sehr motivierte Dozenten-Team des QAR-Lab sowie die äußerst schnelle Notenbekanntgabe direkt nach dem Abschlussvortrag.“
Lehrstuhl-Doktorand Jonas Stein, der die Challenge betreute, fasste abschließend zusammen: „Für die Use Cases aus den Bereichen Produktion, Service und Produktentwicklung konnten die Studierenden erfolgreich innovative Quantencomputing-Lösungsansätze entwickeln und auf echter Quantenhardware testen. Insbesondere konnte dabei ein Proof of Concept für die Lösung von kontinuierlichen (statt der sonst üblichen kombinatorischen) Optimierungsprobleme durch Quantencomputing gezeigt werden. Auch mir hat es viel Spaß gemacht.“
Die Challenge des QAR-Labs dient der Förderung des Wissenschaft-Praxis-Transfers. Die Ergebnisse werden im Jahr 2022 in wissenschaftlichen Veröffentlichungen aufbereitet.